Bern, 19.10.2023 – Nach dem Finanzierungsbeschluss des Parlaments wird die konkrete Umsetzung der Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz geplant. Die Realisierung startet mit risikosenkenden Vorausmassnahmen im ehemaligen Bahnstollen. Technische Untersuchungen werden weiter vorangetrieben.
Am 19. September 2023 hat nach dem Nationalrat auch der Ständerat der Finanzierung der Räumung des ehemaligen Munitionslagers Mitholz zugestimmt. Dieser Beschluss bedeutet grünes Licht für die umfassende und sichere Räumung der Munitionsrückstände. In den letzten Monaten wurden die technischen Untersuchungen vorangetrieben und die Planungen weiter konkretisiert. Mit verschiedenen Bohrungen wurde der Baugrund für die Schutzbauwerke des Strassentunnels der Nationalstrasse und der Bahngalerie untersucht, wurden Bodenproben für Schadstoffuntersuchungen entnommen und Messpunkte zur Überwachung der Grund- und Oberflächengewässer ergänzt.
Sondiergrabungen als Grundlage für die Planung der Räumarbeiten
Ein weiterer Schwerpunkt sind Untersuchungen des Kommandos Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung (KAMIR). Die KAMIR-Spezialisten führen Sondiergrabungen durch. Im ehemaligen Bahnstollen, wurden im ersten Jahr der Untersuchungen rund 7300 Munitionsobjekte mit einem Kaliber 20 bis 150 mm und einem Gewicht von 14 Tonnen sowie rund 18.5 Tonnen Handwaffenmunition geborgen. Davon wurden rund 350 Munitionsobjekte in einer geeigneten Anlage durch Sprengung vernichtet und 1080 Granaten ohne Zünder in die Entsorgungsanlage der RUAG in Altdorf abtransportiert (Angaben per Ende September 2023). Aufgrund der Belastung durch Sprengstoffrückstände, Schwermetalle und Brandrückstände sind zum Schutz der Experten des Kommando KAMIR umfassende Massnahmen zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes notwendig.
Bei den bisher geborgenen Objekten waren die Zünder mehrheitlich in einem guten Sicherheitszustand. Für die sichere Durchführung der geplanten Räumung ist das eine gute Nachricht. Für die Gesamtbeurteilung des Risikos muss allerdings berücksichtigt werden, dass die geborgenen Munitionsstücke wenige Prozente der erwarteten 1500 Tonnen umsetzungsfähiger Munition ausmachen. Es werden also auch weiterhin grosse Unsicherheiten bleiben, die erst nach dem Öffnen des Bahnstollens ab dem Jahr 2032 ausgeräumt werden können.
Im ehemaligen Bahnstollen werden die Sondiergrabungen bis im Frühjahr 2024 abgeschlossen. Sie liefern wertvolle Erkenntnisse zur Lage, zur Menge und zum Zustand der seit mehr als 75 Jahren verschütteten Munition. Erstmals können grössere Mengen Gestein, Munitionsrückstände, Gebinde, Schrott und Explosivstoffreste identifiziert, triagiert, dokumentiert und fachgerecht entsorgt werden. So werden Erfahrungen im Umgang mit den geborgenen Munitionsrückständen gesammelt und können Prozesse optimiert werden. Alle diese Erkenntnisse fliessen in das Umsetzungskonzept für die spätere Räumung und Entsorgung der Munitionsrückstände ein.
Realisierungsbeginn für risikosenkende Vorausmassnahmen – erste temporäre Evakuierungen im Sommer 2024
Vor Beginn der Arbeiten im Bereich möglicher grosser Munitionsvorkommen muss das Explosionsrisiko gemäss den geltenden Vorschriften auf ein akzeptables Mass gesenkt werden. Unbeteiligte Dritte wie z. B. die betroffene Bevölkerung sowie Verkehrsteilnehmende auf der Strasse und der Bahn müssen geschützt werden. Basierend auf der Risikoanalyse VBS 2022 werden für die sicherheitsrelevanten Arbeiten organisatorische, technische und bauliche Schutz¬massnahmen geplant und umgesetzt. Diese werden pro Arbeitsschritt spezifisch angepasst.
Aufgrund der instabilen Fluh besteht im verschütteten Bahnstollen grosse Steinschlaggefahr. Herabfallende Felsblöcke können Explosionen auslösen. Um dieses Explosionsrisiko zu senken werden lokale Steinschlagschutzmassnahmen im Bahnstollen umgesetzt: Die Munitionsrückstände an der Oberfläche werden geräumt und eine Trennschicht aus Splitt sowie eine Pufferschicht aus geeignetem Material eingebaut. Das bestehenden Mess- und Alarmierungssystems wird um zusätzliche Sensoren in der Schutzschicht ergänzt. Die lokalen Steinschlagschutzmassnahmen wurden mit dem Plangenehmigungsverfahren für Sicherheits- und Vorbereitungsmassnahmen publiziert und bewilligt.
Während der sicherheitsrelevanten Arbeiten für die Steinschlagschutzmassnahmen wird der Schutz der Bevölkerung, der Verkehrsteilnehmenden und weiteren unbeteiligten Dritten mit folgenden Massnahmen sichergestellt:
- Die Ausführung der Arbeiten erfolgt während der Alp-Saison, damit saisonale Abwesenheiten genutzt werden können
- Die Arbeiten werden jeweils unter der Woche nachts ab Sonntagabend bis Freitagmorgen ausserhalb der Hauptverkehrszeiten durchgeführt.
- Exponierte Liegenschaften werden für Dauer der Arbeiten temporär evakuiert
- Die Sicherheit für den Verkehr auf Strasse und Bahn wird durch die Notfallorganisation überwacht.
Von den temporären Evakuierungen sind 11 Personen in fünf Wohnliegenschaften betroffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner dürfen während max. 12 Wochen von Ende Juni – Mitte September 2024 unter der Woche nachts nicht in ihren Häusern sein. Sie werden durch das VBS entschädigt.
Ehemaliges Munitionslager Mitholz
Im 2. Weltkrieg war in Mitholz (Gemeinde Kandergrund BE) ein unterirdisches militärisches Munitionslager gebaut worden. 1947 kam es darin zu Explosionen, wobei 9 Menschen in der Umgebung der Anlage starben. Explodiert war ein Teil der eingelagerten rund 7000 Bruttotonnen Munition. Ein weiterer Teil konnte daraufhin geräumt werden. Aufgrund einer Schätzung befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel davor noch bis zu 3500 Bruttotonnen Munition mit mehreren hundert Tonnen Sprengstoff. www.vbs.ch/mitholz